Bild nicht mehr verfügbar.

Nicht böse gemeint, lieber Orang-Utan: du hast mit den Männlichkeitsfanatikern dieser Welt nichts gemein.

Foto: APA/epa/ATTILA BALAZS

Da ist er ja wieder! Über kurz oder lang kommt er feixend aus steinzeitlichen Höhlen gekrochen oder von Bäumen herunter geklettert. Immer wenn uns gesellschaftliche Veränderungen, drohende Privilegienverluste oder anstrengende Differenzierungsarbeit jucken, dann erscheint er brustkorbtrommelnd und kratzt uns ein wenig. Der alte Affe Männlichkeit ist vielgesichtig aber nicht besonders vielschichtig. Jahrein, jahraus verteilt er dieselben Kamellen, auch wenn er dabei anders aussieht als zuvor. Manchmal sogar wie eine Frau. Gegenwärtig kommt er unter anderem in Gestalt des niederländischen Schriftstellers Leon de Winter daher und erzählt fade Schreckensmärchen davon, wie furchtbar es in der heutigen Zeit sein muss, ein Junge zu sein. Überall nur Frauen, die besonders in Schulen so tun, "als wären Jungen defekte Mädchen. Man legt sie an die Kette und zwingt sie, eine ihnen nicht gemäße Form von Aufmerksamkeit aufzubringen. Mit Aggressionen und Sexfantasien umzugehen, lernen Jungen daher nur durch das Spielen virtueller Spiele und das Anschauen von Actionfilmen."

Unverbesserlicher Separatist

Sehr schade. Denn wie jedes Mal vertut der alte Affe Männlichkeit unsere Zeit, indem er ein wichtiges Problem generalisiert statt sich wirklich mit ihm zu beschäftigen. Statt sich tiefgreifend mit der Problematik auseinanderzusetzen, dass Kinder auf unterschiedliche Arten lernen und Aufmerksamkeit fokussieren, trennt er lieber verbissen – Männlein zu Männlein und Weiblein zu Weiblein. Der alte Affe Männlichkeit ist ein unverbesserlicher Separatist: "Wer Sohn und Tochter hat, weiß, dass sie sich grundlegend voneinander unterscheiden."

Nun, glücklicherweise bin ich in der privilegierten Situation, die de Winter hier beschreibt. Ich habe eine Tochter und einen Sohn und ich stelle fest, dass sie sich voneinander unterscheiden. Allerdings beruhen diese Unterschiede weniger auf ihrer Geschlechtszugehörigkeit denn auf ihrer individuellen Persönlichkeit. So hat mein Sohn in den allermeisten Fällen mehr mit seiner Schwester gemeinsam als mit seinen männlichen Freunden. Dennoch unterscheidet er sich von ihr, so wie er sich aufgrund seiner Einzigartigkeit von allen anderen Menschen unterscheidet. Für meine Tochter gilt das gleiche. Und genau deshalb – nicht etwa trotzdem – werden beide von mir in ihrer Verschiedenheit auf der Basis einer essentiellen, unveräußerlichen Gemeinsamkeit (Menschenwürde) gleich berechtigt. Hingegen werden sie nicht, wie de Winter verschiedentlich unterstellt, gleich gemacht. Und es ist genau dieser Trick, also die Unterstellung, wer Gleichberechtigung meine würde Gleichmacherei betreiben, mit dem sich der alte Affe Männlichkeit immer wieder ins Spiel bringt. Tatsächlich verhält es sich nämlich genau andersherum. Er ist es, der nicht von der Gleichmacherei ablassen will. Ihm zufolge sind Frauen doch alle gleich. Männer sowieso, wie die de Winter meint: "In Millionen von Jahren sind in ihrer Biologie Kriegerqualitäten zur Ausreifung gelangt."

Ehrabschneidung?

Aber der alte Affe Männlichkeit hat noch andere Tricks, durch die er sich mit altbackenen Aussagen stets neu zu behaupten weiß. Zum Beispiel den der vorgeblichen Ehrabschneidung von Männern. Eigentlich soll es in manchen Dingen nur ihm selbst an den Kragen gehen, aber er brüllt Zeter und Mordio, dass es dabei um alle Männer ginge. Besonders gerne schreit er dabei in Buchtiteln. Etwa, dass wir "auf dem Weg zum geschlechtslosen Menschen" seien oder dass Männer das "missachtete Geschlecht" wären. Ab und zu schnappt er vollkommen über und faselt etwas von der "Vergewaltigung der menschlichen Identität"

Dabei hat er von dem, was Männer alles sein und tun können, wenn man sie lässt, kaum eine Ahnung. Stattdessen glotzt er verständnislos auf gesellschaftliche Entwicklungen und versteht nicht, dass lediglich einige seiner eigenen Aspekte als gesellschaftsschädigend markiert werden, aber mitnichten Männer an sich. Männer werden nicht dadurch entehrt, dass man beispielsweise das Jagdverhalten neostalinistischer Diktatoren von ultramännlich in grenzdebil und artengefährdend umdefiniert. Dinge, die einmal als männlich galten können uncool werden, ohne dass dies dadurch für Männer gelten muss.

Eigentlich hat der alte Affe Männlichkeit nur Angst. Wenn er ein Mann wäre, wüsste er, dass das in Ordnung ist. Aber so wird er manchmal ziemlich fies. Dann sagt er Sachen wie "Feminismus ist hasserfüllt und verhasst – lasst ihn uns töten!" und merkt nicht einmal, wie sehr er sich damit entlarvt. Denn spätestens dann weiß man ganz genau, wie man mit ihm umzugehen hat: Gib dem Affen keinen Zucker! (Nils Pickert, dieStandard.at, 3.11.2013)