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Traurige Titelfigur, wenngleich nicht die Hauptfigur des Films: Eiskönigin Elsa.

Foto: AP Photo/Disney

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Ihre Schwester Anna betreibt in "Die Eiskönigin" die Handlung.

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"Die Eiskönigin. Völlig unverfroren" heißt der diesjährige Vorweihnachtsfilm von Disney, und pünktlich mit den ersten Schneeflocken kommt er in die österreichischen Kinos (Filmstart ist am 28. November). Der Film ist offiziell "lose inspiriert" von Hans Christian Andersens Märchen "Die Schneekönigin". Wer ist nun die Protagonistin in diesem glitzernden 3-D-Spektakel?

Mogelpackung Hauptfigur

Nachdem Pixar (seit 2006 bei Disney) im Vorjahr mit "Merida" erstmals eine recht emanzipierte Hauptfigur gelungen war – die Prinzessin weigert sich zu heiraten und besiegt im sportlichen Wettkampf ihre Bewerber –, waren die Erwartungen hoch. Vielleicht zu hoch. Denn der neue Film mit einer Titelheldin fällt in puncto Emanzipation hinter die Schottengöre zurück. Aber eins nach dem anderen. Zuerst einmal ist der Titel irreführend, denn die Hauptfigur ist nicht die Eiskönigin Elsa, sondern ihre Schwester Anna. Beide sind Königstöchter in dem fiktiven nordischen Reich Arendelle.

Elsa gelingt es nicht, ihre übersinnlichen Kräfte im Zaum zu halten. Wider Willen frostet sie die idyllische Fjordenlandschaft tief und zieht sich in die Berge zurück, um ihre wahre Identität als Eiskönigin zu leben. So weit, so gut. Bis hierher könnte man den Film sogar als eisiges Coming-out lesen. Das ruft Anna, die eigentliche Protagonistin, auf den Plan. Sie bricht auf, um die Schwester zu versöhnen und alles wieder ins rechte Lot zu bringen. Sie ist mutig, sie kann reiten, und sie schert sich einen Dreck um das Hofzeremoniell.

An ihrer Seite kämpft der etwas tumbe Tor Kristoff mit seinem treuen Rentier Sven. Vor einer steilen Eiswand stehend, gesteht der Naturbursch Kristoff: "Ich glaub, ich wein gleich." Darauf Anna: "Zeig ruhig deine emotionale Seite." Hier wird also durchaus etwas versucht in Sachen Geschlechterstereotype. Der Versuche hätte es aber durchaus mehr geben können. Etwas zögerlich erst werden Rollenklischees aufgebrochen, an mancher Stelle auch ungeschickt. Zum Beispiel, wenn Kristoffs blonden Haare von den Trollen spöttisch als "unmännlich" bezeichnet werden. Anna ist hingegen rothaarig wie schon Merida. Die Emanzen sind bei Disney also immer noch die Rothaarigen. Wie vorhersehbar, wie langweilig.

Personenrepertoire der Vorlage nicht ausgeschöpft

Überhaupt wurden hier einige Möglichkeiten verschenkt. Bietet Andersens Märchen doch ein reichhaltiges Personenrepertoire, das bei weitem nicht ausgeschöpft wurde. Dabei ist gerade "Die Schneekönigin" eines seiner vielschichtigsten Märchen, das nicht umsonst bereits oftmals vertont, verfilmt, zu Musicals und Theaterstücken verarbeitet wurde. Anna ist im Original Gerda, die aufbricht, um ihren Freund Kay zu retten, der von der Schneekönigin entführt wurde. Diese ist in Andersens unheimlicher Geschichte ganz und gar nicht mit dem Mädchen verwandt und bleibt auch immer eine Fremde – wenn nicht gar "das Fremde" schlechthin.

Sie, die Schneekönigin, ist eine gänzlich unzivilisierte, wenn auch ungemein kraftvolle Macht, die Regisseur Chris Buck und Drehbuchautorin Jennifer Lee gleich einmal ordentlich domestiziert haben. Wo kämen wir denn da sonst hin, wenn geheimnisvolle Fremde im Pelz da einfach kleine Buben küssen und wer weiß wohin mitnehmen? Jedenfalls nicht ins Vorabendprogramm. Die glubschäugige Elsa hat mit einer Schneekönigin der Volksmärchen also herzlich wenig zu tun, auch wenn sie ab und an Eiszapfen schleudern darf.

Das Rentier Sven heißt im Original Ba, und die Protagonistin bekommt es von einem wilden Räubermädchen, dessen Mutter sie beinahe geschlachtet hätte. Auch nicht gerade kindgerecht - zumindest bei Disney. Die Räubermutter trägt einen Bart und ist nur eine von vier wilden Weibern, die in den insgesamt sieben Geschichten bei Andersen vorkommen. Außerdem gibt es noch eine Lappin, die geheimnisvolle Nachrichten auf getrockneten Fisch schreibt, und eine Finnin, die in der Schwitzhütte "fast völlig nackt" auftritt und natürlich zaubern kann.

Durch und durch kommerzialisierte Fantasylandschaft

Nichts davon bei Disney. Ihre Bergausrüstung bekommt Gerda/Anna stattdessen bei einem seltsam schweizerisch-radebrechenden Almöhi, der auch Sonnenöl im Angebot hat. Verschenkt wird hier nichts. Anna muss Seil und Pickel kaufen, weil selbst die nordische Fantasylandschaft durch und durch kommerzialisiert ist. In dieser Hinsicht ist der Film nur konsequent – für verstörende Gratisweisheiten von gefährlichen alten Frauen ist hier einfach kein Platz. (Tanja Paar, dieStandard.at, 27.11.2013)