Österreich ist ja, nach eigener Aussage, die Heimat großer Söhne – so groß, dass für große Töchter neben ihnen kaum noch Platz ist. Aber nicht nur das – es ist auch das Land der Berge, das Land am Strome, das Land der Äcker, das Land der Dome – und das Land der Hämmer. Und einen besonders großen Hammer haben 650 Expert/innen für die psycholinguistische Verarbeitung männlicher Pronomen und Personenbezeichnungen, äh, nein, für die, äh, nein, für die Struktur und Bedeutung der deutschen Gegenwartssprache – nein, ich fange noch mal an.
Also: Eine Übersetzungswissenschaftlerin, ein Literaturwissenschaftler (mit Großem Silbernem Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich), ein Namensforscher (im Ruhestand), ein Dialektologe (im Ruhestand) und ein Gymnasiallehrer kommen in eine Bar. "Was wollt ihr trinken", fragt die Barkeeperin. "Immer diese gegenderte Sprache", schreien die fünf mit hochroten Köpfen. "Du bist ein Barkeeper. Gibst du das jetzt endlich freiwillig zu, oder müssen wir erst einen offenen Brief schreiben?"
Und draußen vor der Tür haben die Fünf ihre Drohung gleich wahr gemacht. In ihrem von 650 Sprachexpert/innen, äh, nein, Sprachdings, hier, ach, lassen wir das; in ihrem offenen Brief warnen sie die Bildungs– und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek und den Wissenschafts– und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, dass es jetzt endlich mal gut sein müsse mit der ständigen Erwähnung von Frauen, und dass es Zeit sei, "für eine Rückkehr zur sprachlichen Normalität", in der über Männer geredet wurde und Frauen hübsch dasaßen und sich, wenn sie denn unbedingt wollten, mitgemeint fühlen durften, bei Sätzen wie "Frauen sind eben doch die besseren Zuhörer".
Solche Sätze, so die fünf Freunde, seine ja bei der ganzen Genderei "schlichtweg nicht mehr 'politisch korrekt' formulierbar“. Recht haben sie, und da Frauen eben doch besser zuhören können, bleibt zu hoffen, dass die Bildungs– und Frauenministerin das auch so sieht. "Das Beispiel", finden die fünf
(Wobei, die partikulären Interessen von denen, über die zu Zeiten der sprachlichen Normalität so ungestört gesprochen wurde, sollten natürlich nicht aus dem Blick geraten.)
Die fünf haben auch zwei hammerharte wissenschaftliche Argumente für eine Rückkehr zur rein männlichen Sprache. Erstens:
Gut, in einem Land, in dem 42 Prozent der Bevölkerung finden, dass unter den Nazis "nicht alles schlecht war" und 61 Prozent der Meinung sind, die Nazizeit sei ausreichend aufgearbeitet, muss man mit Meinungen vielleicht vorsichtig umgehen.
(Ein Godwin, Herr Stefanowitsch? Ernsthaft, ein Godwin? Gehen Sie doch zurück nach Russland, wenn es Ihnen bei uns nicht passt.)
Deshalb zweitens:
Gut, das klingt jetzt eher so, als sei das Problem der geschlechtergerechten Sprache viel kleiner als man angesichts eines von 650 "Personen des Gesellschaftslebens" unterzeichneten Brandbriefes zunächst denken könnte.
Aber eigentlich geht es den fünf Maskutieren (Meinten Sie: Musketiere? Nein.) ja auch gar nicht darum, wer jetzt wo wie viel geschlechtergerechte Sprache verwendet. Nein, es geht ihnen um den ideologischen Aspekt:
(Anders als die Grundsätze der Briefschreiber, die auf einer männlich-zweiseitigen und damit absolut richtigen Einschätzung beruhen).
Tja, da holt man sich schon eine Übersetzungswissenschaftlerin, einen Namensforscher und einen Dialektologen ins Boot, und dann haben die doch tatsächlich in dem einen sprachwissenschaftlichen Seminar, das sie irgendwann einmal besucht haben, so schlecht aufgepasst, dass sie Wörter mit rein grammatischem Geschlecht wie Person, Fachkraft und Publikum mit Wörtern verwechseln, bei denen das grammatische Geschlecht mit dem natürlichen Geschlecht1 zusammenfällt. Und das ist, wie eigentlich jeder Germanist wissen müsste, überall da der Fall, wo es sowohl eine männliche als auch eine weibliche Form eines Wortes gibt, denn sprachliche Zeichen (auch Kategorien wie grammatisches Geschlecht) erhalten ihre Bedeutung durch sprachsystemische Bezüge zu anderen Zeichen.
Und wer das nicht glaubt, kann sich einfach die entsprechende Literatur durchlesen, die zwei Dinge zeigt: Bei allgemeinen Personenbezeichnungen mit rein grammatischem Geschlecht (wie Mensch oder Person), stellen sich Sprecher/innen des deutschen tendenziell Männer vor, da Männer gesellschaftlich als Norm gelten (das ist auch in Sprachen so, die kein grammatisches Geschlecht haben). Dieser Effekt wird in Sprachen mit grammatischem Geschlecht, wie dem Deutschen, verstärkt: Grammatisch maskuline Personenbezeichnungen, zu denen es ein feminines Gegenstück gibt, werden von Sprecher/innen zunächst auf Männer bezogen und müssen dann re-interpretiert werden, wenn der Zusammenhang es erfordert.
Aber das wissen die fünf Briefschreiber nicht, und ihre Wissenslücken füllen sie – womit sonst – mit einer langen (weitgehend eingebildeten) Tradition:
Nein, davon kann keine Rede sein, denn wovon hier die Rede sein kann, das bestimmen eben die, von denen die Rede ist. Pfeifen wir auf 40 Jahre Forschung, ein paar falsch verstandene Beispiele für grammatisches Geschlecht bei Personenbezeichnungen wiegen da einfach schwerer.
Aber ganz ohne Empirie will man das nicht stehen lassen und bringt deshalb ein weiters Argument dafür, dass man weder den Unterschied zwischen grammatischem und natürlichem Geschlecht, noch den zwischen Personenbezeichnungen und dem Rest des Wortschatzes, noch den zwischen Singular und Plural wirklich verstanden hat:
Aber genug der wissenschaftlichen Begründungen, denken sich die Fünf und kommen direkt zu ihren Forderungen:
Natürlich haben die Eliminatoren auch für diese konkreten Forderungen gute Gründe. Erstens entsprechen diese "schriftlichen Verunstaltungen" nicht "dem derzeit gültigen Amtlichen Regelwerk zur deutschen Rechtschreibung". Das ist ein Hammer-Argument, aber nicht sehr zukunftsreich, denn amtliche Regelwerke lassen sich ganz problemlos amtlich ändern.
Zweitens "enthalten sie zum Teil grammatische oder sprachlogische Fehler und können in den angebotenen Formen nicht unmittelbar gelesen werden" – welche Fehler das sind, ist kein Geheimnis, sie können "in diversen Publikationen von Brühlmeier, Kubelik, Pohl u. a." nachgelesen werden. Sucht man diese Publikationen, stößt man auf eine Schatztruhe sprachwissenschaftlicher Kleinodien wie Arthur Brühlmeiers "Sprachfeminismus in der Sackgasse" (erschienen im Fachblatt "Deutsche Sprachwelt") oder (Mitunterzeichner) Kubeliks "Genug gegendert" (eine mutige Abrechnung mit der "Frauensprache" im Taschenbuchformat), oder (Mitunterzeichner) Pohls "Zur Diskussion um das Binnen-I und zum 'feministischen Sprachgebrauch'" (in dem er noch einmal ausführlich darlegt, dass das Binnen-I nicht dem amtlichen Regelwerk entspricht).
Drittens
Das ist ein besonders schönes Argument – welche Frau möchte schon Anhängsel eines Mannes sein, welcher Mann möchte durch eine Frau entstellt werden, die ihm wie ein Mühlstein um den Hals hängt – unmittelbar einleuchtend und viel sinnvoller als sich mit den Wortbildungsprinzipien des Deutschen zu befassen. Allerdings ärgerlich, dass die fünf damit ganz nebenbei zugegeben haben, was sie eigentlich bestreiten wollten: das maskuline Formen männlich sind. Tja, ist eben gar nicht so leicht, das mit der fundierten Sprachanalyse. (Hint: Deshalb gibt es Leute, die sich mit so etwas auskennen).
Auch ausweichende Formulierungen (vermutlich so etwas wie "Frauen können besser zuhören" statt "Frauen sind die besseren Zuhörer") sind strikt zu unterlassen, denn
Und der Schreiber – prachtvoll und ohne weibliches Anhängsel – darf keinesfalls irritiert und in seiner schöpferischen Manneskraft eingeschränkt werden. Denn seine Interessen sind keine Partikularinteressen, sondern hoher Sendung Last, mit starkem Herzen getragen.
Und wessen Herz das alles immer noch nicht erweicht möge doch bitte an die Kinder denken! Und an die Ausländer! Und die Behinderten!
All diesen Menschen ist keinesfalls die Komplexität der Zweigeschlechtlichkeit zuzumuten. Am Ende hinterfragen sie auch diese noch, und dann haben wir gar nichts mehr, an das sie glauben können!
Sprache, so schließen die fünf Verteidiger der feministisch Verfolgten,
Das ist wie mit historischen Tatsachen, auch dort– nein, lassen wir das. Ich weiß auch gar nicht, wieso ich die ganze Zeit an diese unselige Epoche der deutsch-österreichischen Geschchte… ach so, deshalb:
Da haben wir's. Die Feministinnen sind nichts anderes als Nazis – obwohl, bei denen war ja auch nicht alles schlecht. Aber bauen Feministinnen überhaupt Autobahnen?
Auf jeden Fall, da sind sich die fünf einig, darf es in sprachlichen Fragen keine Vorschriften geben:
Und weil es keine Vorschriften geben darf, muss schleunigst eine Vorschrift her, nämlich die (im Sprachlog bereits ausführlich diskutierte, siehe [1], [2]) ÖNORM A 1080:
Denn nur eine Vorschrift kann verhindern, dass wir uns einbilden können, die feministische Sprachwissenschaft wolle uns Vorschriften machen. (Anatol Stefanowitsch, dieStandard.at, 16.7.2014)