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Auf die Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen passt das pauschale Bild von schießwütigen Männern längst nicht mehr. Doch auch die dort gelebte modernere Männlichkeit schließt Frauen aus.

Foto: AP/Dario Lopez-Mills

Wien - Am 16. September 2007 schossen private Söldner auf dem Nissur-Platz in Bagdad mit Maschinengewehren in die Menge. 17 Zivilisten starben, 20 wurden verletzt. Die Männer waren im Irak für die Sicherheitsfirma Blackwater im Einsatz. Diesen Namen hat das durch das Massaker weltweit bekannt gewordene Unternehmen abgelegt, heute nennt es sich Academi. Ein US-Gericht verhängte erst kürzlich, am 13. April, die Urteile gegen vier Männer des Blackwater-Trupps, die nach Aussagen von Zeugen grundlos in die Menge schossen: Einer von ihnen wurde wegen Mordes zu lebenslänglicher Haft verurteilt, weitere drei zu je 30 Jahren Haft wegen Totschlags.

Spätestens seit diesem 16. September geriet der Einsatz privater Sicherheitsfirmen in den Fokus der Öffentlichkeit. Welche Mitarbeiter sind für diese Unternehmen im Einsatz, und welche Aufgaben übertragen ihnen Staaten? Während des Irak- und Afghanistan-Einsatzes der USA und Großbritanniens wurden nicht weniger als die Hälfte der Einsatzkräfte nicht vom staatlichen Militär, sondern von der privaten Sicherheitsindustrie gestellt. Die Politikwissenschafterin Saskia Stachowitsch erforscht aktuell die geschlechterspezifischen und sicherheitspolitischen Konsequenzen dieser stark wachsenden Industrie, deren Einsatz sich nicht auf Kriegsgebiete beschränkt.

Berater und Bodyguard

Auch NGOs oder die Uno beschäftigen für ihre Arbeit im Entwicklungsbereich zunehmend private Sicherheitsfirmen. "Die Branche versucht, vom militärischen Image wegzukommen, manche Firmenwebseiten wollen vermitteln, sie würden schlicht humanitäre Arbeit leisten", sagt Stachowitsch. Seit einem Jahr forscht sie im Rahmen des Elise-Richter-Programms des Wissenschaftsfonds FWF an der Uni Wien über die Privatisierung von staatlichen Aufgaben des Militärs, insgesamt wird sie dieses Feld vier Jahre untersuchen.

Zwar konzentriert sich die Politikwissenschafterin in ihren Untersuchungen auf die USA und Großbritannien. Doch auch in Österreich spielen private Sicherheitskonzerne mittlerweile eine große Rolle. Prominentes Beispiel ist das Schubhaftzentrum Vordernberg, für das die Securityfirma G4S engagiert wurde. "Kriege sind nur die spektakulärste Ausformung dieses Phänomens", sagt Stachowitsch. Der Einsatz der privaten Sicherheitsindustrie reicht von Verwaltungstätigkeiten, Beratungen, Bodyguard-Tätigkeiten, Security-Arbeit für Veranstaltungen bis hin zum Einsatz zur Überwachung des Seeverkehrs.

Potenzierte Ausschlussmechanismen

Diese enorme Präsenz habe laut Stachowitsch nicht nur Konsequenzen für unsere Vorstellungen von Sicherheit, sondern auch für die Geschlechterverhältnisse. Im staatlichen Militär gebe es immerhin ein offizielles Bekenntnis zu Gender Mainstreaming, ebenso Beschwerdeprozesse, wenn es zu Diskriminierung oder Belästigung kommt. Obwohl auch von staatlicher Seite noch keine großen Erfolge für mehr Frauen in den Bereichen Sicherheit, Militär oder Außenpolitik zu verbuchen sind, sieht Stachowitsch deutliche Unterschiede zu privaten Unternehmen, die meist nicht einmal Personalstrukturen offenlegen würden. Ihre Hypothese: "Die Ausschlussmechanismen, die auch auf staatlicher Ebene noch stark wirken, und jene von privaten Unternehmen könnten sich so potenzieren."

So rekrutieren private Sicherheitsfirmen etwa vor allem aus Bereichen, in denen Frauen nicht repräsentiert sind, etwa aus Bodentruppen. Bis 2013 durften US-amerikanische Soldatinnen nicht im direkten Bodenkampf dienen.

Stachowitsch vermutet durch die intransparenten Strukturen privater Securityfirmen eine neue Chance für Refugien, in denen eine andernorts veraltet wirkende Männlichkeit wieder Autorität gewinnen könnte. Und dabei gehe es um alles andere als randständige Bereiche: Die Sicherheitsindustrie agiere dort, wo die Politikwissenschafterin einen großen Einfluss auf die Organisation von internationaler Politik sieht. Laut Financial Times flossen infolge des Irakkrieges 138 Milliarden Dollar an externe Dienstleister für ihren Einsatz bei Sicherheit, Wiederaufbau und Logistik.

Privilegierte Kategorie Mann

Beratung ist ein weiteres zentrales Betätigungsfeld, in dem sich ein dominantes und dennoch transformiertes Männerbild abzeichnet. Teilnehmende Beobachtungen von Stachowitsch bei Meetings von Managern verschiedenster Sicherheitsfirmen zeigten: Mit martialischer Männlichkeit hat man es auch in diesem Bereich nicht mehr vorrangig zu tun.

Die australische Soziologin Raewyn Connell spricht vielmehr von einer "Transnational Business Masculinity", die zwar eine modernisierte Form von Männlichkeit ist, sich aber von alten Männlichkeitsbildern insofern nicht unterscheidet, als dass sie sich ebenso als eine privilegierte Kategorie konstruiert.

Neben Intransparenz und modernisierten Männerdomänen interessiert Stachowitsch, wie sich die Vorstellungen von Sicherheit durch die privaten Söldner verändern. Deutlich zeichne sich dabei eine Konzentration auf technische und legistische Diskurse ab. "Alternative Konzepte von Sicherheit rücken zugunsten von Optimierungsdebatten völlig in den Hintergrund", beobachtete sie.

Diskussionen um exaktere Screenings oder bessere Kontrolle von Rekrutierungsprozessen würden demnach dominieren. Dabei sei es fragwürdig, ob diese Technisierung mehr Sicherheit für die Einzelnen bedeutet. Die Genderforscherin V. Spike Peterson hat sich etwa mit Prozessen des Auf- und Ausbaus staatlicher Sicherheitsapparate beschäftigt, die aber nicht mehr Sicherheit für Frauen brachten. Denn Sicherheit wurde zunehmend aus staatlicher Perspektive und nicht aus der Sicht des Einzelnen konzipiert.

Die Frage, wer, was und vor wem man überhaupt geschützt werden muss, sei ebenso vom Radar der öffentlichen Debatten über Sicherheit verschwunden. Stattdessen werden Bedrohungsszenarien ständig multipliziert, "auch daran arbeiten private Sicherheitsfirmen laufend". (Beate Hausbichler, DER STANDARD, 22.4.2015)