Sepp Schellhorn ist ein Tausendsassa. Der Gastronom aus Goldegg leitet nicht nur mehrere Lokale, sondern ist wieder für die Neos im Nationalrat tätig. Langweilig wird ihm nicht, müde wird er auch nicht. Denn ein Kochbuch hat Schellhorn jetzt auch noch geschrieben. Sepp, was machst du? basiert auf seiner erfolgreichen Social-Media-Videoserie auf Instagram und Youtube. Darin zeigt er mit viel Schmäh, wie man Carbonara, Schnitzel und Toast Hawaii zubereitet. Was Kochen und Politik gemein haben, erzählt er im Interview.

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Sepp Schellhorn, Gastronom und Politiker, ist jetzt auch Kochbuchautor.
Foto: DK-Verlag/Ingo Pertramer

STANDARD: Vor knapp einem Jahr haben wir über die Übergabe Ihres Seehofs in Goldegg an Ihren Sohn gesprochen. Da haben Sie mir gesagt, Sie wollen es ein bisschen ruhiger angehen. Jetzt sind Sie wieder zurück in der Politik und haben auch noch ein Kochbuch geschrieben. Hat das mit dem Ruhigerangehen nicht geklappt?

Schellhorn: Doch. Mit der Übergabe an den Felix habe ich zumindest zwei freie Abende zum Lesen. Dienstag und Mittwoch. Das habe ich vorher nicht gehabt.

STANDARD: Wie geht sich da ein Kochbuch und der Wiedereinstieg in die Politik aus?

Schellhorn: Wäre ich noch im Seehof und müsste alles noch organisieren, würde es nicht gehen. Beim Kochbuch kam der Verlag auf mich zu: "Sie sind ja auf Social Media so aktiv, wollen wir ein Kochbuch machen?" Da habe ich sofort zugesagt. Und bei der Politik: Ich glaube, ich kann für den Tourismus ein bisschen was bewegen oder was einbringen. Beides lässt sich gut verbinden.

STANDARD: Sie sind vor zwei Jahren aus der Politik ausgestiegen. Warum kehren Sie gerade jetzt wieder zurück?

Schellhorn: Ich bin gegangen, weil ich erschöpft war. Ich war knapp vor einem Zusammenbruch. Heute will ich einen Beitrag dazu leisten, dass es besser wird. Wobei ich glaube, dass das jeder von uns kann, der in einem Lokal, der an einem Tisch im Gasthaus sitzt.

STANDARD: Inwiefern?

Schellhorn: In der Gesellschaft, ganz einfach. Und mein Part ist ein Beitrag in der Politik. Mein Beitrag ist die Metapher des Stammtisches, dass wir alle miteinander kommunizieren, niemanden ausschließen, niemanden "abhaten" müssen. Sondern, dass man miteinander redet und versucht, Lösungen zu finden. Und das kann ich am besten für mich im Nationalrat und auf Social Media.

STANDARD: Dort sind Sie ja sehr aktiv.

Schellhorn: Ich spiele auch damit. Letztens zum Beispiel habe ich mich nur mit Schürze, ohne T-Shirt, gezeigt und den Finger in die Kamera gehalten. Wie die Köchin Olivia Tiedemann in ihren Videos. Wie sie (die User und Userinnen, Anm.) sich aufgeregt haben. Da hab ich meinen Spaß daran.

STANDARD: Sie wissen also, wie man die Leute triggert?

Schellhorn: Ich brauche nur ein Schneidbrett. Bei mir gibt es die Schneidbrettpolizei.

STANDARD: Das heißt?

Schellhorn: Es gibt verschiedene Farben für Schneidbretter. Zu Hause ist das alles wurscht. Im Restaurant ist das offensichtlich nicht wurscht. Das Rote ist für das Fleisch, das Blaue ist für den Fisch, das Gelbe ist für das Huhn, das Grüne für das Gemüse und das Braune, glaub ich, für den Zwiebel. Völlig scheißegal. Dann regen sie sich auf, wenn ich beim Huhn das Fischbrett verwende.

STANDARD: Zu Ihrem Kochbuch: Was war die Idee dahinter?

Schellhorn: Das sind die Rezepte drinnen, die aus dem Format Sepp, was machst du heraus entstanden sind. Die Leute haben nämlich immer nach den genauen Rezepten gefragt. Das Buch ist sehr niederschwellig, es handelt sich um sehr einfache Rezepte. Es ist kein einziger Streberteller drinnen.

STANDARD: Streberteller?

Schellhorn: Wenn Köche mit der Pinzette anrichten.

STANDARD: Sie haben im Kochbuch neben Klassiker der österreichischen Küche auch vegane Rezepte angeführt.

Schellhorn: Die falsche Ente mach' ich gern. Ich habe mich in den Reels zuerst über die Veganer lustig gemacht – aber habe dann gemerkt, schon damals im Seehof noch, dass das unglaublich gut zieht.

STANDARD: Wie finden Sie das, dass Sie mittlerweile als Social-Media-Koch bekannt sind und quasi einen zweiten Frühling erleben?

Schellhorn: Für mein Alter ist das sensationell. Ich habe Fans aus allen Altersschichten. Mit jungen Menschen muss ich sogar Selfies machen. Ich fühle mich zum ersten Mal wie ein Star. Und mit dem Kochbuch fühl ich mich auch wie ein Schriftsteller, weil ich immer zu spät war mit meinen Abgaben (lacht).

STANDARD: Also sprechen Sie die Leute auch auf der Straße an?

Schellhorn: Kürzlich bin ich in der U-Bahn gestanden, und da kommt eine ältere Dame zu mir. Die schießt mich mit einem aggressiven Ton an: "Sie sind der Schellhorn!" Da hab ich gedacht, sie schimpft mich zusammen, weil ich etwas Falsches gesagt habe oder weil ich in Kitchen Impossible zu viel geflucht habe oder wegen etwas Politischem. Sie hat "Danke" gesagt. Warum? "Seitdem Sie das machen, will mein Mann auch endlich kochen." Ich hab einen sehr hohen Männeranteil bei meinen Videos. Knapp 70 Prozent, die meine Reels schauen, sind Männer.

STANDARD: Wie erklären Sie sich das?

Schellhorn: Ich glaube, dass viel mehr Männer kochen, als wir glauben. Ich glaube, dass das Klischee total veraltet ist. Kochen macht sexy. Ganz einfach.

STANDARD: Die Topköche der Welt, schaut man auf die zahlreichen Rankings, sind aber fast ausschließlich Männer.

Schellhorn: Das hat gesellschaftliche Gründe. Kinderbetreuung, der Job ist Freizeit-unfreundlich, man arbeitet abends, an Wochenenden. Es gibt wenige etablierte Frauen wie die Dominique Crenn, aber die sind kinderlos. In den Küchen daheim empfinden Männer Kochen eher als Lifestyle und als Entspannung. Für Frauen ist es nicht immer nur entspannt, wie ich glaube. Da kommt schon mal der Mann heim und sagt: "Was gibt's denn heute eigentlich zu essen?" Das ist die Todesfrage überhaupt.

STANDARD: Haben Sie einen Tipp, was die Leute beim Kochen besser machen könnten? Katharina Seiser sagte mir in einem Interview einmal, es gehört mehr gesalzen.

Schellhorn: Mehr Zitrone verwenden. Ein Spritzer Zitrone in einer Spargelsuppe oder in einer Cremesuppe wirkt Wunder. Kochen darf aber nicht zu apodiktisch gesehen werden. Ich mache ja auch Fehler, manche absichtlich.

STANDARD: Welche denn?

Schellhorn: Als ich noch nicht so viele Follower hatte, haben wir gesagt, wir müssen die Leute mal provozieren. Dann habe ich in die Carbonara einen Schlagobers reingegeben. Das war der Aufreger schlechthin. Das kann man ruhig so machen. Es muss halt nur gut schmecken.

STANDARD: Was braucht Österreich eher: Köche oder Politiker?

Schellhorn: Beides. Drum mach ich beides. Die Köche werden uns alle verlorengehen. Die Wiener sind ja wahnsinnig privilegiert. Wien hat so viele Gasthäuser und Beisln. Diese Gasthäuser auf dem Land, diese Mittelschicht, die wird uns wegbrechen. Das ist kein bedauerliches Zeichen, sondern ein fürchterliches Zeichen. Da kann man Politik eigentlich mit Kochen ganz gut vermischen und ganz gut darstellen, dass uns die Mitte wegbrechen wird.

STANDARD: Wie sieht dann Ihre Agenda aus?

Schellhorn: Es geht darum, dass die Wirtshäuser auf dem Land und in der Stadt überleben werden müssen. Und dazu braucht es Lösungen. Ich spreche aber nicht von Förderungen. Wenn man dagegen nicht auftritt, werden irgendwann einmal Leichenschmäuse auf der Tankstelle stattfinden, weil es keine Wirtshäuser mehr gibt. Das ist vielen nicht bewusst. In Österreich neigt man dazu, erst dann aufzuschreien, wenn es zu spät ist. Darum sehe ich mich als Schutzpatron der Wirtshäuser. (Kevin Recher, 24.4.2024)

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"Sepp, was machst du?" von Sepp Schellhorn. 90 Rezepte, 31,50 €, erschienen im DK-Verlag.
Foto: DK-Verlag/Ingo Pertramer